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Das Haus

von Monika Anselment und Ali Habib


Ali muß Bagdad verlassen. Er geht ungern. Er mußte seine Zuckerbäckerei schließen. Die Regierung hat den Verkauf von Süßigkeiten verboten, um Zucker zu sparen. Dafür sind keine Devisen da. Nun hilft er in der kleinen Autowerkstatt seines Bruders in Basra. Einmal im Monat kommt Ali nach Bagdad und besucht seine Mutter. Ehe er wieder nach Basra aufbricht, fährt er zu seinem Haus und holt die Monatsmiete bei seinem Mieter Ahmed ab. Ali hat keine Probleme mit dem neuen Mieter, die Miete zahlt er pünktlich, und Ahmed ist ein höflicher und netter Mann. Bei den Nachbarn ist er sehr beliebt.

Kurz nachdem Ali die Juni-Miete abgeholt hat, organisiert Ahmed ein kleines Fest, zu dem alle Männer aus der Nachbarschaft geladen sind. Er will den günstigen Kauf von Alis Haus feiern. Die Männer sind zwar etwas verwundert und betroffen, aber viele müssen jetzt in der Not ihre Häuser verkaufen. Allerdings verärgert und verletzt es sie sehr, daß Ali ohne Abschied fortgezogen ist. Im Laufe des Abends werden die Männer fröhlicher, bis dann zu vorgerückter Stunde Ahmed plötzlich verkündet, daß dies zugleich eine Abschiedsfeier sei, da er aus geschäftlichen Gründen aus Bagdad wegziehen müsse. Die staunende Runde vernimmt, daß er das Haus demontieren und in das Dorf seiner Mutter bringen will. Dort soll es dann vollständig wieder aufgebaut werden. Ziegelsteine, Eisenträger und Fenster sind inzwischen so rar und unbezahlbar, daß dies die einzige Möglichkeit sei, für sich und seine Mutter im heimatlichen Dorf zu einem Haus zu kommen. Zwei Tage später fährt der erste LKW vor. Die Arbeiter tragen die Steine ab und schichten sie fein säuberlich auf die Ladefläche. Mehrere Tage lang fahren die Lastwagen hin und her. Nach einer Woche stehen nur noch die Fundamente des alten Hauses da.

Einen Monat später kommt Ali wieder nach Bagdad und fährt zu seinem Haus. Er glaubt, seinen Augen nicht zu trauen: Dort, wo einst sein Haus stand, klafft jetzt eine Baugrube. Er sieht sich um, einmal, zweimal. Nein, er hat sich nicht verirrt. Rechts und links neben der Grube erheben sich die Häuser von Yunis und Karim, seinen Nachbarn. Und hinter den Resten der Außenmauer stehen im Garten noch die kleinen Orangenbäume, die Ali so sehr liebt, mit einer dicken Staubschicht bedeckt.